In diesem besinnlichen Monat möchten wir Ihnen einen etwas anderen Blick auf das Leben im Alter bieten.

Wir haben uns bewusst dafür entschieden, das Thema „Altern“ in den Mittelpunkt unseres Weihnachtsnewsletters zu stellen. Warum? Das Altern ist nicht nur ein Prozess des körperlichen Wandels, sondern auch eine faszinierende Reise voller Erfahrungen, Weisheit und wertvoller Momente. Wir möchten Ihnen eine Perspektive auf das Alter zeigen, die nicht von Einschränkungen und Krankheit dominiert wird, sondern von Wachstum, Liebe und Lebensfreude.

Mit diesem Anliegen haben wir die renommierte Autorin Daniela Castner eingeladen, ihre Gedanken zum Thema Altern mit uns zu teilen.

Frau Castner, selbst 75 Jahre alt, hat nicht nur einen beeindruckenden beruflichen Hintergrund, sondern auch eine tiefgehende persönliche Perspektive auf das Altern. Daniela Castner studierte Psychologie, Pädagogik und Philosophie in Berlin und arbeitete in verschiedenen Bereichen, von der Erwachsenenpädagogik bis zur Sozialtherapie in Justizvollzugsanstalten.

Ihre literarische Arbeit wurde mit Preisen ausgezeichnet, und sie teilt nicht nur ihre professionelle, sondern auch ihre persönliche Sicht auf das Altern mit uns.

Frau Castner wird in unserem Newsletter ihre inspirierenden Gedanken zum Altern teilen, die dazu anregen sollen, das Alter als einen Reichtum zu betrachten – als eine Zeit des Wachsens, Reifens und Genießens.

Wir hoffen, dass Sie diese Perspektive ebenso inspirierend finden wie wir und wünschen Ihnen eine besinnliche Weihnachtszeit. Herzliche Grüße, Familie Huber & das gesamte vitabene-Team

ALTER LERNEN

„Wer die Angst vor dem Alter überwunden hat, kann es genießen.“ Keith Richards, Gitarrist und Songschreiber der Rolling Stones, anlässlich seines achtzigjährigen Geburtstags.

Angst vor dem Alter – wovor haben wir da Angst? Welche schlimmen Altersbilder schleppen wir im Kopf herum, die uns hindern, auch diese Phase unseres Lebens nicht nur notgedrungen zu akzeptieren, sondern auch zu genießen?

Müssen wir Heutigen uns nicht geradezu schämen, alt zu sein? Was verstehen wir überhaupt unter Alt sein? Erstarrung? Verluste? Einsamkeit, Ohnmacht und Abhängigkeit?

„Alter ist eine Illusion“, so heißt ein Buch des Psychologen und Philosophen Michael Lehofer, in dem er sehr klug dafür plädiert, unser ganzes Lebensabenteuer als einen Entwicklungsprozess zu verstehen, der uns konfrontiert mit immer wieder neuen Herausforderungen, an denen wir wachsen und reifen können.

Und solange wir uns entwickeln, solange wir reifen und wachsen, solange seien wir jung. „Jung“? Lebendig wollen wir sein, bis zum letzten Atemzug wachsen und reifen, aber müssen wir uns deshalb „jung“ nennen? Forever young, wollen wir tatsächlich noch mal zwanzig sein und so naiv wie damals?

Klar, körperlich erscheint es uns begehrenswert, wenn uns noch die Kräfte unserer Jugend durchtobten, aber eben dieses so schwer beherrschbare Toben, war das nicht auch eine der vielen Plagen unserer Jugend gewesen?

Alt werden, kann das nicht auch frei werden heißen? Frei von Anforderungen, frei von Pflichten, was wir als alte Menschen tun für Andere, das tun wir freiwillig. (Weshalb auch ein Ehrenamt oft befriedigender sein kann, als es die Berufslaufbahn je war).

Und nicht zu vergessen, die Rolle der Großeltern. Der alte Kirschbaum im Kindheitsgarten meines Sohnes, summend im Frühling, bewohnt von den Wurzeln bis zur Krone von unzähligem, geheimnisvollem Getier, und wenn dann die Kirschen reif waren – zu Füßen des Baumes mein pausbackiges Kind schwelgend im Überfluss…

Warum nicht solch einen großzügigen alten Baum als Vorbild fürs Altwerden nehmen? Überhaupt eignen sich alte Bäume wunderbar als Altersvorbilder, auch alte Linden mit ihrem viel besungenen Duft…

Jedoch: „Ich kann das Alter in mir nicht finden“, sagt Lehofer stolz. Natürlich nicht, wenn er alt sein gleichsetzt mit der Enttäuschung über nicht erfüllte Knabenblütenträume: „der saure, der frustrierte, der verbitterte Mensch, der in seinen Erwartungen enttäuscht ist, seine Illusionen nicht eingelöst sieht, ist alt.

“Was für ein böses Bild vom Alter. Kein Wunder, dass wir davor Angst haben und davon rennen wollen. Und zwar leibhaftig. Mick Jagger, Sänger, Tänzer, Bandkollege von Keith Richards, der ebenfalls dieses Jahr 80 geworden ist, wird nicht umsonst in der Süddeutschen Zeitung als „ewig junger Gott“ beschrieben. Wirbelt immer noch unter dem Jubel seiner meist jugendlichen Fans über die Bühne, ohne je Satisfaction zu erlangen, er gibt nicht auf, bleibt sein eigenes Markenzeichen, Mick Jagger.

Wir Älteren und Alten, Micks Generation, wir betrachten diesen ewig jungen Gott mit gemischten Gefühlen. Um so bleiben zu können, wie er war, muss er stundenlang Tanzen, Turnen, Rennen. Dazu eine junge Frau, ein kleines Kind – Stress lass nach. Und Gesundheitsküche, kein Alkohol, keine Drogen, Disziplin, eiserne Disziplin, bewundernswert, doch dazu sind die meisten von uns zu faul. Machen es uns lieber gemütlich mit Keith Richards, der es genießen kann, alt zu sein.

Großvater Kirschbaum, er hat sogar ein Buch geschrieben, zum Lob der Großväter. Und wenn man ihn jetzt sieht, in jungen Jahren schwer abhängiger Heroinjunky, jetzt im Kreise seiner Familie, seine Enkelin an ihn geschmiegt, dann versteht man, was das heißen kann: das Alter genießen. Eingebettet sein, lieben und geliebt werden und – immer bereit, über uns selbst zu lachen. Und dazu müssen wir kein Rockstar sein.

Und es geht hier nicht um schön reden, es geht um eine Umwertung des Alters. Ausschöpfen die möglichen Erfahrungen dieser Lebensphase, neue Haltungen lernen, gelassene Hingabe zum Beispiel. Und nicht weinen, um das, was wir verloren haben, uns freuen, dass wir es erleben durften. Gerade für diese Lebensphase ist Dankbarkeit eine unschätzbare Quelle von Glück, Freude und Zufriedenheit. Dankbarkeit für das Geschenk unseres Lebens. Und nicht festhalten an einem stolzen Konzept von Selbständigkeit, unsere wechselseitige Abhängigkeit als schwache Menschlein akzeptieren lernen.

Wir alle müssen lernen, das Alter nicht aus der griesgrämigen Perspektive der Beraubung zu sehen, sonst haben wir bald eine mürrische, freudlose Jammergesellschaft, wir Alten werden bekanntlich ja immer mehr. Machen wir uns also schöne, lebendige Altersbilder, ist einfach gesünder. Denn laut einer Studie der Universität Yale leben Menschen, die eine positive Einstellung zum Alter haben, um 7,5 Jahre länger und gesünder als jene, für die das Alter nichts anderes bedeutet, als Beraubung aller Freuden. Und überhaupt sollten wir hin und wieder mal Hesses Gedicht „Stufen“ lesen, „…drum Herz nimm Abschied und gesunde.“